TA-Luft: Zielkonflikte aus Sicht des Agrarhandels

19.10.2018

BVA lehnt aktuellen Entwurf ab

Die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) soll geändert werden und liegt als dritte Entwurfsfassung vom 16. Juli 2018 vor. Bereits in der durch das Bundeministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) durchgeführten Anhörung zu einem früheren Entwurf Anfang Dezember 2016 ist sie auf deutlichen Widerstand der Wirtschaft gestoßen. Der BVA lehnt die TA Luft in der aktuellen Entwurfsfassung weiterhin ab.

Die TA Luft ist eine Verwaltungsvorschrift, die normkonkretisierende Angaben zum Bundesimmissions- schutzgesetz und seinen Verordnungen enthält und dadurch bundeseinheitliche Anforderungen für bauliche Anlagen schafft. Sie bezweckt die Verbesserung des Schutzes vor schädlichen Umwelteinwirkungen für die Nachbarschaft und die Allgemeinheit und entwickelt die Anforderungen zur Vorsorge entsprechend dem Stand der Technik fort. Diese konkreten Vorgaben sollen zu höherer Rechts- und Investitionssicherheit und so zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren beitragen.

Damit richtet sie sich vor allem an Genehmigungsbehörden von industriellen bzw. gewerblichen Anlagen, wird aber auch von Gerichten, Sachverständigen und anderen Behörden als Erkenntnisquelle herangezogen. Sie findet also immer dort Anwendung, direkt oder indirekt, wo neue Wirtschaftsanlagen gebaut werden, also Investitionen getätigt werden. Umso wichtiger ist, dass die darin festgelegten Standards auch realistische, wissenschaftlich fundierte Vorgaben enthalten. Dies halten wir im Falle der neu eingefügten Bioaerosole für zweifelhaft.

Im Bereich der Bioaerosole liegen unseres Erachtens bislang keine belastbaren Forschungsergebnisse vor, die die Höchst-/Richtwerte fundieren. Somit ist es fraglich, inwieweit die TA Luft Anforderungen zur Vorsorge stellen kann, wenn nicht einzuschätzen ist, ob überhaupt eine Gefahr besteht. Unsachgemäße Vorsorgevorschriften tragen nicht zu der von der TA Luft bezweckten Rechts- und Investitionssicherheit bei; sie sind vielmehr geeignet eine Investitionsunsicherheit bzw. ein Investitionshemmnis hervorzurufen.

Die Aufnahme der Bioaerosole, wie sie im Entwurf vorgesehen, hat aus unserer Sicht zwei große Schwachstellen:

  1. Es gibt keine wissenschaftliche Grundlage aus der Umweltmedizin
  2. Es entstehen Zielkonflikte mit anderen Vorschriften, z. B. dem Arbeitsschutz

 

Zu 1.: Vorsorge- und Schutzpflichten des Betreiber wissenschaftlich fundieren

Die Aufnahme der Bioaerosole in die TA Luft sehen wir kritisch und bezweifeln, dass dies zu einer erhöhten Rechtsklarheit und – Sicherheit für die Anlagenbetreiber und Nachbarn von eventuell Keimen und Endotoxinen emittierenden Anlagen führt.

Inhaltlich orientiert sich die TA Luft in Anhang 10 an einem von der Bund/Länderarbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz beschlossenen Leitfaden. Dieser Leitfaden von 2014 spricht selbst von einer nicht sicher belastbaren Datenlage. Die in ihm genannten Konzentrationen und Richtwerte bedürften noch weiterer Absicherung. Dazu forschte das LGL Bayern zur Ermittlung von Expositions- Wirkungs- Beziehungen und Wirkungsschwellen. Die Humanstudie des LGL ( S. M. Walser et al „ Evaluation of exposure- response relationships for health effects of microbial bioaerosols- A systematic review“) hat ergeben, dass die bisherige Forschung in der Umweltmedizin keine Ursache-Wirkungs-Beziehung feststellen konnte. Wir stellen deshalb in Frage, ob eine Aufnahme von Bioaerosolen in die TA Luft zielführend ist.

Die TA Luft hat das Ziel „den zuständigen Behörden den heutigen Erkenntnissen entsprechende bundeseinheitliche Vorgaben für die immissionsschutzrechtliche Beurteilung von  Luftverunreinigungen, insbesondere aus genehmigungsbedürftigen Anlagen, an die Hand zu geben“ und entwickelt die Anforderungen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen entsprechend dem fortgeschrittenen Stand der Technik. Wir begrüßen grundsätzlich die Konkretisierung des BImSchG und die dadurch bundesweit einheitliche Bewertungsgrundlage. Dies schafft Planungssicherheit. Im Fall der Bioaerosole ist es unseres Erachtens jedoch schwierig, einen Stand der Technik im Sinne der TA Luft zu entwickeln, denn die umweltmedizinische Forschung konnte bislang kein belastbares Datenmaterial zur Ursache-Wirkungs-Beziehung hervorbringen.

In der Begründung des Entwurfs wird angegeben, dass die Fragestellung, ob von Anlagen Immissionen von Keimen und Endotoxinen ausgehen, die sich nachteilig auf die Gesundheit der benachbarten Anwohner auswirken können, in der Öffentlichkeit an Bedeutung gewinnt. Öffentliche Diskussion ist wichtig und muss in jedem Fall ernst genommen und begleitet werden. Jedoch sollte sie nicht dazu führen, dass ohne eine wissenschaftliche Grundlage und die daraus zu ziehenden Erkenntnisse, ein Gesetzesentwurf entsteht.

Die TA Luft dient, auch im Zusammenspiel mit den VDI-Richtlinien, für viele Prüfungen und Bewertungen als Erkenntnisquelle und Beurteilungsmaßstab. Mit Blick auf die geplante Neufassung der TA Luft hat der Normenausschuss der VDI/DIN-Kommission Reinhaltung der Luft (KRdL) beschlossen, den Gemeinschaftsausschuss Bioaerosole unter Beteiligung relevanter Wirtschaftsverbände mit einer Überarbeitung der relevanten VDI-Richtlinien 4250 Blatt 1 und Blatt 3 zu befassen. In zwei Projektgruppen sollen bis 2020 sowohl die Wirkung von mikrobiologischen Agenzien auf den Menschen als auch anlagenbezogene, umweltmedizinische Messparameter und Beurteilungswerte erörtert, untersucht sowie entsprechende technische Regeln erarbeitet werden. Allein aus diesem Grunde empfiehlt sich unseres Erachtens vor Abschluss dieser Arbeiten keine Regelung zum Thema Bioaerosole in der TA Luft.

Die Wirtschaft nimmt ihre Betreiberpflichten ernst und ist deshalb immer darum bemüht, an umsetzbaren Vorsorgemaßnahmen mitzuwirken und diese als Betreiber umzusetzen. Wir möchten jedoch auch auf die Schwierigkeit hinweisen, die für Betreiber bestehender Anlagen entsteht. Aufgrund der unsicheren Datenlage ist das Ergebnis einer Prüfung, wie sie die TA Luft vorsieht, schwierig zu beurteilen, führt aber bei eventuell vorschnell gezogenen Schlüssen zu erheblichen neuen Verpflichtungen des Anlagenbetreibers.

Zu 2.: Zielkonflikte

Der TA Luft sieht vor, dass an Anlagen, in denen feste Stoffe be- oder entladen, gefördert, transportiert, bearbeitet, aufbereitet oder gelagert werden, geeignete Maßnahmen zur Emissionsminderung ergriffen werden. Es wird z.B. vorgeschrieben, dass Übergabestellen zu kapseln sind und Öffnungen von Räumen  (z. B. Tore und Fenster), in denen feste Stoffe gehandhabt werden, möglichst geschlossen zu halten sind. Tore dürfen nach dem Entwurf nur für notwendige Fahrzeug Ein- und Ausfahrten geöffnet werden.

Wir möchten darauf aufmerksam machen, dass die TA Luft hiermit nicht im Einklang mit bestehenden Arbeitsschutzvorschriften (z.B. dem Explosionsschutz) steht. Für die Unternehmen ergeben sich zum Schutz ihrer Mitarbeiter vor Explosionsgefahren Pflichten u. a. aus der Betriebssicherheitsverordnung und aus der Gefahrstoffverordnung. Sie müssen dafür Sorge tragen, dass eine Explosionsgefahr im Betrieb nicht entstehen kann.

Durch die absolute Formulierung („sind zu kapseln“, „Tore dürfen nur für notwendige Fahrzeugein- und – Ausfahrten geöffnet werden.“) entsteht für uns der Eindruck, dass Belange und Vorschriften, die sich z. B. aus dem Explosionsschutz ergeben, bei einer Beurteilung nach der TA Luft nicht mit in die Betrachtung einbezogen werden. Eine Einbeziehung bzw. Abwägung mit den Vorschriften zur Arbeitssicherheit ist jedoch höchst wichtig. Nur so kann der Anlagenbetreiber all seinen Schutzpflichten gleichermaßen gerecht werden und die Arbeitnehmer können ihrer Arbeit sicher nachgehen.