Getreidehandelstag 11./12. Juni 2012, Warberg

Der Bundesverband der Agrargewerblichen Wirtschaft e.V. (BVA) veranstaltete traditionell gemeinsam mit der Bundeslehranstalt Burg Warberg, dem Deutschen Verband Tiernahrung (DVT) und dem Verband Deutscher Mühlen (VDM) diese Woche den Getreidehandelstag 2012 in Warberg.

BVA-Präsident Bruno Fehse begrüßte rund 120 Teilnehmer aus den Bereichen Landhandel, Mühlen, Futtermittelindustrie/-handel sowie Verwaltung. Ein solches Branchentreffen gibt die Gelegenheit, wichtige Themen, wie z.B. die Entwicklungen im Bereich der Bioenergie, die vielen Agrarhandelskollegen immense Probleme bereiten, zu diskutieren. So führt die Ausdehnung der energetischen Biomassenutzung zu Verwerfungen auf den landwirtschaftlichen Märkten und damit zu erheblichen Veränderungen der Anbau- und Vermarktungsstruktur in landwirtschaftlich geprägten Regionen. „Gerade wir in unserer Region West-Niedersachsen wie auch viele andere Regionen in Deutschland merken dies seit Jahren zum Teil schmerzlich“, so Bruno Fehse. Inzwischen gibt es kaum einen Erfassungshändler in ganz Deutschland, der nicht über gesunkene Erfassungsmengen berichten könnte. Und dies ist insbesondere auf den Bau von Biogasanlagen zurückzuführen. Das zum Teil gezahlte Preisniveau von Anlagenbetreibern ist so hoch, dass die Vermarktung von Getreide als Nahrungs- und Futtermittel nicht mehr interessant scheint. Unsere Unternehmen müssen sich auf die neue Situation einstellen und passen ihre Unternehmenskonzepte an – soweit dies überhaupt möglich ist, stellt BVA-Präsident Fehse abschließend fest. Vielen sei es jedoch nicht möglich.

Eine Untersuchung über die veränderten Warenströme im Agrarhandel durch die zunehmende Bioenergieproduktion, vorgestellt von Dr. Annemarie Heinecke, Burg Warberg, unterstützt die Aussagen des BVA-Präsidenten. An einer ersten kleinen Erhebung nahmen Getreideerfasser aus dem gesamten Bundesgebiet teil. 96% der Unternehmen gaben an, dass es zu einem Rückgang der erfassten Getreidemengen kam, lediglich 4% der Unternehmen konnten ihre Mengen steigern. Die Erfassung an Brotgetreide ging im Zeitraum von 2005 bis 2011 um durchschnittlich 16% und an Futtergetreide um 13% zurück Die Rückgänge sind einerseits mit wettbewerbsbedingten Verschiebungen innerhalb des Marktes (1% des Rückgangs) zu erklären, andererseits durch witterungsbedingte Einflüsse (7%) und zum überwiegenden Teil durch die Ausweitung der Biogasanlagen (92%) begründet. Neben der Reduzierung der Getreidemengen hat die Ausweitung der Bioenergieproduktion in der Landwirtschaft zu veränderten Handelsmengen mit Pflanzenschutzmitteln, Düngemitteln und Saatgut geführt. 50% der Agrarhandelsunternehmen verzeichnen einen durch Bioenergie bedingten durchschnittlichen Rückgang von 15% ihres Pflanzenschutzumsatzes. 58% der Agrarhandelsunternehmen setzen auch 11% weniger Dünger um. Einzig die Spezialisierung auf Mischdünger hat in 16% der Unternehmen zu höheren Handelsmengen mit Düngemitteln geführt.

Am zweiten Tag wagten Händler und Verarbeiter einen Ausblick auf den Getreidemarkt zur Ernte 2012. Einig waren sich die Teilnehmer der Podiumsdiskussion, dass die Vermarktung der Ernte 2011 praktisch abgeschlossen sei. Um den Bedarf der Verarbeiter decken zu können, mussten größere Mengen Weizen, insbesondere für Futterzwecke, aus Osteuropa importiert werden, berichtete Konrad Weiterer, Vorsitzende des BVA-Getreideausschusses. Die Ernteaussichten in Deutsch-land, aber auch in anderen EU-Ländern wie Frankreich und Polen sind eher unterdurch-schnittlich. Die zurzeit für die EU-27 prognostizierte Getreideernte von 282 Mio. Tonnen werde aber ausreichen, um den Bedarf auf dem Binnenmarkt zu decken. Allerdings sind rückläufige Exporte zu erwarten.

In der Diskussion zeigte sich, dass die Zeit bis zum Beginn der Weizenernte noch spannend werden könnte. „Vorne sehe ich Technik“, meinte Eduard Haidl, Kampffmeyer Mühlen Hamburg. Für die Mühlen sei in erster Linie die Verfügbarkeit und die Qualität der Ware wichtig. Preisrisiken sichere man durch Back-to-back-Geschäfte ab. Ein Eurokurs auf dem derzeitigen Niveau könnte in der Erntephase zu massiven Exporten führen. Mit einer lebhaften Nachfrage für Weizen aus der neuen Ernte rechnet auch Fritz Diekgerdes, Friedrich Diekgerdes Landhandels GmbH, Hemmelte. Hauptgeschäft seines Unternehmens ist die Mischfutterproduktion. Ein hoher Weizenpreis könne dazu führen, dass in den Rationen mehr Mais eingesetzt werde. Mit dem Beginn der Körnermaisernte könne sich deshalb die Weizennachfrage abkühlen, vermutet der Händler. Bedenken müsse man aber, dass bei einem höheren Maisanteil mehr Sojaschrot eingesetzt werden müsse, um den Eiweißgehalt im Futter aufrecht zu erhalten. Letztlich werde der Computer über die Zusammensetzung der Rationen entscheiden, erklärte Diekgerdes. Eine weitere Steigerung der Mischfutter-produktion in den westniedersächsischen Veredelungszentren erwarte er nicht. „Die Industrie hat Grenzen erreicht“, machte der Emsländer deutlich. Stallneubauten seien im Emsland und im Oldenburger Münsterland nur noch schwer zu realisieren.

Auch in der Bioethanolindustrie werden hohe Weizenpreise zu einem niedrigeren Verbrauch führen, erwartet Detlef Kock, Hauptgenossenschaft Nord AG, Kiel. Der sinkende Rohölpreis könne zudem ein Indikator für die Konjunkturentwicklung sein. Nur schwer einzuschätzen sei, wie sich dies auf die Getreidenachfrage auswirken werde. Wenn sich die aktuellen Ernteprognosen bestätigen, erwarte er eher einen bärischen Markt. Sollte es Katastrophen geben, könne es aber auch sehr schnell nach oben gehen. Zu den weltweiten Weizenbeständen merkte Kock an, dass ein großer Teil dieser Vorräte in Indien und China lagere und diese Mengen für den Markt nicht verfügbar seien.

Vor einem zu großen Optimismus bei der Maisernte in den USA warnte Michael Fleischer, Grainexx Getreidehandels GmbH, Hamburg. Ob auf der größeren Anbaufläche tatsächlich die prognostizierten Erträge geerntet werden, sei zweifelhaft. Gleiches gelte für das Braugerstenangebot in Deutschland. Durch die Auswinterungs-schäden sei mehr Sommergerste im Anbau, dass dadurch das Braugerstenangebot ebenso stark steigen werde, glaube er aber nicht. Sommergerste sei auch auf guten Böden gedrillt worden und das Saatgut habe nicht immer die für Braugerste notwendigen Qualitäten aufgewiesen. Die geringe Preisdifferenz zur Futtergerste von zehn bis 15 Euro je Tonne biete den Landwirten keinen Anreiz, die Produktionsrisiken einzugehen. „Es ist ein Irrglaube, dass man sehr viel und sehr günstig Braugerste kaufen kann“, ist Fleischer überzeugt. Im Gegensatz zu früheren Jahren gebe es in diesem Jahr keine verfügbaren Endbestände. Die Mälzer seien mehrheitlich short. In der Erwartung niedriger Braugerstenpreise seien bereits Malzkontrakte abgeschlossen worden. Wenn die Nachfrage aus den Mälzereien geballt komme und gleichzeitig die Exportnachfrage anziehe, könne Technik in den Markt kommen, vermutet der Hamburger Händler.

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