Nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln

06.08.2020

Stellungnahme zur Evaluierung der EU-Vorschriften über die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln im Hinblick auf die Ziele der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ und des europäischen Grünen Deals

Die vom BVA vertretenen Agrarhandelsunternehmen stehen für eine nachhaltige Landwirtschaft. Dabei verstehen wir Nachhaltigkeit als eine praktikable und wirtschaftlich tragbare Verbindung zwischen der Produktion qualitativ hochwertiger und erschwinglicher Lebensmittel und dem Klima- und Umweltschutz.

Der Pflanzenschutz ist ein entscheidender Baustein, um die Nachhaltigkeit der Lebensmittelproduktion zu gewährleisten. Denn der adäquate Schutz unserer Kulturpflanzen vor Schaderregern ist unerlässlich, um Ernteprodukte zum Beispiel vor einer Kontamination mit natürlich vorkommenden Mykotoxinen zu bewahren und die Anbauflächen durch bestmögliche Ausschöpfung des Ertragspotentials effizient zu nutzen. Letzteres ist ein wesentlicher Faktor, wenn es darum geht, möglichst viele naturnahe Lebensräume zu erhalten und Flächenumwandlungen zu vermeiden.

Es ist unser aller Ziel, die negativen Auswirkungen der Nahrungsmittelproduktion auf die Umwelt soweit wie möglich zu minimieren. Dabei müssen die bestehenden Zielkonflikte immer mit betrachtet und abgewogen werden. Pauschale Verbote und Reduktionsvorgaben sind aus unserer Sicht unvereinbar mit dem Anspruch des Grünen Deals, eine sichere Versorgung der Europäer/innen mit erschwinglichen und nachhaltig produzierten Lebensmitteln zu gewährleisten.

Fokus bei Risikoreduktion belassen
Eine pauschale Reduktion der angewandten Menge ist im Pflanzenschutz weder fachlich sinnvoll noch ist sie geeignet, um die Ziele im Bereich Umweltschutz und Biodiversität zu erreichen. Denn die ausgebrachte Menge sagt nichts über das damit verbundene Risiko aus.

Ein pauschaler Fokus auf die ausgebrachten Mengen lässt die Eigenschaften der einzelnen Pflanzenschutzmittel und die mit ihrer Anwendung verbundenen Risiken unbeachtet. Dies führt dazu, dass durch Vorgaben zur Mengenreduktion die Verwendung eines risikoreicheren Pflanzen-schutzmittels, welches mit geringen Aufwandmengen eingesetzt werden kann, positiver bewertet wird als die Verwendung eines weniger risikoreichen Pflanzenschutzmittels, welches jedoch größere Aufwandmengen erfordert.

Der bisherige Fokus der Richtlinie 2009/128/EG, eine nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln sicherzustellen, indem die mit der Verwendung verbundenen Risiken verringert und die Anwendung des integrierten Pflanzenschutzes sowie alternativer Methoden oder Verfahren gefördert werden, ist daher beizubehalten. Die auf den Pflanzenschutz bezogenen Ziele der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ müssen dementsprechend überarbeitet werden.

Nachhaltiger Pflanzenschutz erfordert ausreichende Optionen für das Resistenzmanagement
Grundsatz 5 der acht allgemeinen Grundsätze des Integrierten Pflanzenschutzes nach Richtlinie 2009/128/EG ANHANG III fordert, Resistenzvermeidungsstrategien anzuwenden, wenn der Umfang des Befalls mit Schadorganismen wiederholte Pflanzenschutzmittelanwendungen erforderlich macht. Eine wichtige Resistenzvermeidungsstrategie ist die Anwendung verschiedener Pflanzenschutzmittel mit unterschiedlichen Wirkmechanismen.

Allerdings hat in den letzten Jahrzehnten die Anzahl der verfügbaren Wirkstoffe mit unterschiedlichen Wirkmechanismen deutlich abgenommen. Im Interesse des Nachhaltigen Pflanzenschutzes muss hier eine Trendumkehr stattfinden und die Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln, insbesondere für Anwendungen von geringfügigem Umfang, verbessert werden. In die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ ist daher das Ziel aufzunehmen, dass für alle relevanten Anwendungsgebiete mindestens 3 Wirkstoffgruppen zur Verfügung stehen.

Für die Erreichung dieses Ziels müssen – durch die Pflanzenschutzgesetzgebung und im Rahmen der Strategie „vom Hof auf den Tisch“ – Anreize geschaffen werden.

Resistente, Standortangepasste Sorten sind wichtiger Bestandteil des nachhaltigen Pflanzenschutzes
Aufgrund der spürbaren Auswirkungen des Klimawandels nimmt der Stellenwert moderner, angepasster Sorten zu. Alle Potenziale, schnell Sorten zu entwickeln, die widerstandsfähig gegen Wetterextreme und neue Schädlinge sind, müssen ausgenutzt werden. Denn nur wenn entsprechende Sorten verfügbar sind, können die Landwirte den ersten der acht allgemeinen Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes – vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen und dafür unter anderem resistente/tolerante Sorten zu verwenden – vollumfänglich umsetzen.

Da die klassische Pflanzenzüchtung sehr langwierig ist – die endgültige Zulassung einer Sorte kann bis zu 10 Jahren dauern – muss die Möglichkeit bestehen innovative Züchtungstechniken einzusetzen. Die sogenannten neuen Pflanzenzüchtungsmethoden haben ein großes Potenzial, um Ernteausfälle infolge des Klimawandels zu minimieren. Sie können die bisher genutzten Methoden der Pflanzenzüchtung hervorragend ergänzen. Dazu bedarf es jedoch einer Anpassung der entsprechenden Regulierung. Bleibt der rechtliche Rahmen unverändert, werden die Methoden in Europa aufgrund des enormen Aufwandes nicht oder nur von entsprechend aufgestellten Unternehmen angewandt.

Versorgungssicherheit und Produktion qualitativ hochwertiger Lebensmittel weiterhin gewährleisten
Das erklärte Ziel der EU, mit der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ einen nachhaltigen Lebensmittelverbrauch sowie erschwingliche und gesunde Lebensmittel für alle zu fördern, kann nur erreicht werden, wenn alle politischen Entscheidungen zum Pflanzenschutz auf einer faktenbasierten und wissenschaftlich untermauerten Abwägung der Auswirkungen auf die Anbauwürdigkeit der einzelnen Kulturen erfolgt. Es ist daher zwingend erforderlich, dass im weiteren Verlauf der Evaluierung der Richtlinie 2009/128/EG eine umfassende Folgenabschätzung hinsichtlich der Gewährleistung einer wirtschaftlich tragbaren Pflanzenproduktion in Europa erfolgt.

Ziel muss es sein, mit der Folgenabschätzung sicherzustellen, dass nur solche Maßnahmen ergriffen werden, die sicherstellen, dass weiterhin eine breite Palette an Kulturen erfolgreich angebaut werden kann. Es ist zu vermeiden, dass politische Entscheidungen zum Pflanzenschutz zu einer Verringerung der Regionalität und einer Vergrößerung der Importabhängigkeit und damit Produktionsverlagerung in Drittstaaten führen. Letzteres hätte durch längere Transportwege eine deutliche Verschlechterung der Klimabilanz unserer Lebensmittelwertschöpfungskette zur Folge. Dies würde die Ziele des europäischen Grünen Deals und der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ konterkarieren.